Grüne: Kompetenz im Mopsfledermausschutz oder in der Ökonomie?
Grüne Politik wird von den Vertretern anderer Parteien oder von Wirtschaftsverbänden gerne als wirtschaftsfeindlich dargestellt. Ein genauerer Blick auf die Politik der vergangenen sieben Jahre und auf das aktuelle Grüne Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2005 offenbart jedoch mehr Wirtschaftskompetenz als bei manchen, die sich diese selbst gerne zuschreiben.
Beispiel 1: die Ökosteuer (oder das Lohnnebenkostensenkungsgesetz)
Mit der so genannten "Ökosteuer" wurden die Steuern auf Energieverbrauch zwischen 1999 und 2003 schrittweise erhöht, und mit den Mehreinnahmen wurden die Lohnnebenkosten - hier die Rentenversicherungsbeiträge - gesenkt. Ohne die Ökosteuer wären die Beiträge heute um 1,7 % höher. Für den Staat bringt die Ökosteuer keine Mehreinnahmen, sie ist aufkommensneutral. Positiver - wenn auch umständlicher klingend - hätte man die Ökosteuer vielleicht Lohnnebenkostensenkungsgesetz nennen sollen und hätte sich so manche - leider erfolgreiche - Polemik dagegen erspart.
Die Ökosteuer wirkt auf zwei Weisen positiv auf den Arbeitsmarkt. Zum einen werden Investitionen in Energieeinsparmaßnahmen aufgrund steigender Energiepreise früher wirtschaftlich. Und es ist leicht nachvollziehbar, dass z.B. die Dämmung eines Hauses im Handwerk oder im Bau mehr Arbeit schafft als das Verbrennen von Heizöl.
Die zweite Wirkung auf den Arbeitsmarkt resultiert aus der Senkung der Lohnnebenkosten. Geringere Lohnnebenkosten machen es für Unternehmen billiger und damit attraktiver, neue Arbeitskräfte einzustellen. Das mussten bei der Formulierung ihrer Wahlprogramme mittlerweile auch jene Parteien erkennen, welche die Ökosteuer bisher als Jobkiller verteufelt und ihre sofortige Abschaffung versprochen hatten, sollten sie an die Regierung kommen. Wollten diese Parteien die Ökosteuer wirklich abschaffen, müssten sie (endlich!) auch die andere Seite des Konzepts wahrnehmen und einräumen, dass dann die  Rentenversicherungsbeiträge um 1,7 Prozent anzuheben wären. Das wäre ein echter Jobkiller und wurde deshalb heimlich still und leise verworfen.
Stattdessen bringt die Union nun eine Erhöhung der Mehrwertsteuer ins Spiel, um die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zu senken. Das dahinter liegende Konzept ist eine schlechte Kopie des Konzeptes Ökosteuer: auf der einen Seite werden - so weit so gut - die Lohnnebenkosten reduziert. Die Gegenfinanzierung nach der Rasenmähermethode setzt aber falsche Anreize: sie reduziert die - sowieso schon schwache - Binnennachfrage. Das Original Ökosteuer dagegen motiviert zum sparsamen Umgang mit knappen Energieressourcen.
Nächste Ziele der Grünen im Rahmen der ökologischen Finanzreform sind: Ausnahmen abschaffen (z.B. die Steuerbefreiung für Kerosin oder die Mehrwertsteuerbefreiung für grenzüberschreitende Flüge), umweltschädliche Subventionen abschaffen (Kohlebeihilfe) bzw. reduzieren (Pendlerpauschale) sowie die Vereinbarung EU-einheitlicher Mindeststeuersätze auf Energie.
Klarer Punktsieg für die ökologische Finanzreform der Grünen gegen die Steuerreformansätze der Wettbewerber, auch in der Kategorie Ökonomie!
Klarer Punktsieg für die Grünen auch in Sachen Umsetzungsstärke und Zuverlässigkeit: Angela Merkel selbst hatte 1997 als Umweltministerin die Ökosteuer gefordert. Sie hat sie aber damals nicht nur nicht umsetzen können, sondern würde heute ihre eigene Forderung am liebsten wieder abschaffen (siehe Kasten). Ob hinter dem Sinneswandel geänderte Einsichten oder aber die Parteitaktik steckt, Deutschland und alle Leistungen von Rot-Grün schlecht zu reden?
Beispiel 2: Dieselrußfilter
Die Grünen haben sich schon früh für eine Förderung von Dieselrußfiltern ausgesprochen. Die vermeintlich bewahrenden Kräfte in unserem Land haben sich verzweifelt - und bislang leider erfolgreich - dagegen gewehrt. Zunächst durch die Fraktion des Autokanzlers in der Regierungskoalition, zuletzt durch die Blockade der unionsregierten Länder im Bundesrat. Konsequenz: das Geschäft mit Diesel- Fahrzeugen machen in Deutschland derzeit ausländische Hersteller.
Grüne Politik erkennt ökologische Probleme und ergreift aktiv daraus entstehende ökonomische Chancen. Blockadepolitik überlässt diese Chancen anderen.
Auch das sollte in die Beurteilung der Wirtschaftskompetenz einer Partei eingehen.
Beispiel 3: Erneuerbare Energien Gesetz
Während die Energiewirtschaft - unterstützt von ihren verlängerten Armen in Politik und Presse - damit beschäftigt ist, den Standort Deutschland wegen der gesetzlich geregelten Einspeisevergütung in Grund und Boden zu reden, hat sich die regenerative Energiewirtschaft zu dem Jobmotor der letzten Jahre entwickelt. 130.000 Arbeitsplätze sind in dem Bereich entstanden. Das Land ist Weltmeister in den Zukunftstechnologien Windkraft und Photovoltaik. Andere Länder kopieren das deutsche Modell aufgrund seiner nachweisbaren Erfolge.
Die nach eigener Darstellung wirtschaftskompetenten politischen Wettbewerber torpedieren den weiteren Ausbau regenerativer Energiequellen. Stattdessen will die Union den beschlossenen Atomausstieg rückgängig machen. Damit gefährdet sie nicht nur die Umwelt, sondern auch ein Potential von tausenden zusätzlichen Arbeitsplätzen in der regenerativen Energiewirtschaft.
Punktsieg der Grünen Strategie "Arbeit mit Zukunft" gegen die angebliche "Agenda Arbeit" der Union!
Weg vom Öl und hin zu Arbeit mit Zukunft ...
... sind zwei zentrale Ziele in der Grünen Politik. Sie schließen sich nicht gegenseitig aus, wie uns die politische Konkurrenz immer Glauben machen mag. Im Gegenteil: wie obige Beispiele zeigen, ergänzen sie sich - mit den richtigen Instrumenten - perfekt. Die erschließbaren Ölvorkommen werden nach den Prognosen der internationalen Energieagentur IEA in ca. 40 Jahren aufgebraucht sein. Die gegenwärtig hohen Ölpreise sind daher keine temporäre Erscheinung, sondern spiegeln die Knappheit des Rohstoffs wider. Jobs in einer Wirtschaft, die vom Öl abhängt, sind Jobs der Vergangenheit. Arbeit in der regenerativen Energiewirtschaft oder in der Entwicklung von Energiespartechnologien ist Arbeit der Gegenwart und Zukunft. Grüne Wirtschaftspolitik ist kein Jobkiller, im Gegenteil!

Angela Merkel im Wandel der Zeit: braucht Deutschland diesen Wechsel wirklich?
"Energie ist heute zu billig. (...) es müssen aus meiner Sicht gezielt die Steuern auf Energie angehoben werden, sei es über Mineralöl, Heizgas oder Strom. Der gewünschte umweltpolitische Lenkungs- und Lerneffekt tritt freilich nur ein, wenn klar ist, dass die Steuersätze über Jahre allmählich angehoben werden."
Angela Merkel im Interview der Frankfurter Rundschau vom 17. Juni 1997

„Diese Schröpfsteuer muss weg.“
Angela Merkel in „Die Zeit“ vom 11.9.2000

„Die Ökosteuer würden wir am liebsten sofort abschaffen, aber dies geht wegen des maroden Haushalts nur langfristig.“
Angela Merkel im Interview der Süddeutschen Zeitung vom 20. Juli 2005