20.09.2011: Beitritt der Gemeinde Schöneck in die Solidargemeinschaft zur Unterstützung der Klage gegen Fluglärm
(Gemeinsamer Antrag der Fraktionen von SPD, CDU, Bündnis 90 / Die Grünen, FWG und FDP)

Redebeitrag von Wolfgang Seifried:
Wir Grüne in Schöneck haben lange überlegt, wie wir mit der Inbetriebnahme der neuen Landebahn im Oktober und der im Vorgriff erfolgten Flugroutenumstellung sowie der damit einhergehenden, erhöhten Lärmbelästigung umgehen. Sollten wir als gute Demokraten die politische Niederlage akzeptieren? Schließlich war, als es im Planfeststellungsverfahren im Jahr 2005 um die Entscheidung zum Ausbau des Flughafens ging, eine breite politische Mehrheit für den Ausbau. Auch hier in Schöneck standen wir am 10.02.2005 mit unserem Antrag, dem Planfeststellungsverfahren zu widersprechen, allein. Die Lärm-Argumente lagen schon damals auf dem Tisch. Doch die eindeutige Mehrheit in der Gemeindevertretung hatte der Argumentation, der Ausbau sei für die wirtschaftliche Entwicklung der Region unverzichtbar, mehr Bedeutung beigemessen als der Schutzbedürftigkeit der Bevölkerung im Ballungsgebiet - oder hatte gehofft, dass es für Schöneck schon nicht so schlimm kommen werde. Leider ein Trugschluss!
Politische Aktivitäten nur als Placebo für die Bürger, um zu zeigen, dass wir uns kümmern, kommen für uns nicht in Frage. Denn uns allen muss klar sein, dass eine Steigerung der Flughafenkapazität um 50 Prozent von 83 auf 126 Flugbewegungen pro Stunde nicht zum bisherigen Lärm zu haben sein kann. Die zusätzlichen Flugzeuge brauchen natürlich nicht nur eine Landebahn am Boden, sondern müssen sich auch auf Bahnen im Luftraum neu verteilen. Und diese Neuverteilung wird gerade - bei altem Mengengerüst - erprobt. Ab Oktober wird die Anzahl der Flugbewegungen stetig steigen.
Warum also machen wir trotzdem mit und wollen der Solidargemeinschaft zur Unterstützung der Klage gegen Fluglärm beitreten? Es sind aus unserer Sicht vor allem zwei Punkte in dem Vorhaben, die erfolgsversprechend sind bzw. bei denen der öffentliche und politische Druck erhöht werden muss.
Zum einen geht es um die Änderung des Anflugverfahrens, bei dem jetzt die Flughöhen gesenkt wurden. Dies geschieht offenbar aus rein betriebswirtschaftlichem Kalkül! Die Betreiber wollen, um Kosten zu sparen, die vermehrten Flugbewegungen durch die gleiche Anzahl an Fluglosten abwickeln. Ein höherer und steilerer Anflug (im Gleitverfahren!) wäre möglich, hätte aber einen erhöhten Bedarf an Fluglotsen und wäre demnach teurer. Zu bestätigen ist hier allerdings noch, ob ein solcher steilerer Anflug nicht wieder die unmittelbaren Nachbarn stärker mit Lärm belastet. Einen solchen Lärmverteilungskampf wollen wir nicht!
Zum zweiten geht es um das Nachtflugverbot. Zwar wurde dieses im Mediationsverfahren hoch und heilig versprochen, aber - kaum war die Genehmigung zum Flughafenausbau da - im Schulterschluss von hessischer Landesregierung und Flughafenbetreiber Fraport verwässert und gekippt. Hier gilt es, den öffentlichen Druck aufrecht zu erhalten. Wir begrüßen es ausdrücklich, dass auch die Befürworter der Erweiterung in diesem Parlament sich diese Forderung zu eigen machen und sich damit gegen die Landesregierung stellen. Ein klares Zeichen aus Schöneck nach Wiesbaden, dass dort über das Ziel hinaus geschossen wurde und den wirtschaftlichen Interessen zu Lasten der Bürger zu weit entgegengekommen wurde!
A propos wirtschaftliche Interessen: es gibt einen Punkt an unserem gemeinsamen Antrag, der uns maßlos ärgert, aber wohl leider nicht zu ändern ist. Um das Recht der Bürger gegen die Rücksichtslosigkeit der Flughafenbetreiber durchzusetzen, müssen die klammen Kommunen (Schöneck erzielt gemäß Nachtragshaushalt 2011 ein "ordentliches Ergebnis" von minus 2,2 Mio Euro) eine eigene Gegenstudie finanzieren. Zum Vergleich: Das "Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit" der Fraport AG betrug im Jahr 2010 plus 278,7 Mio Euro. All die wohlfeilen "Angebote" der Luftverkehrswirtschaft mit den wohlklingenden Namen "Forum Flughafen und Region", "Umwelthaus", "Mediation" verfolgen genauso wie die Einladung von Kommunalpolitikern zu Besichtigungen primär den Zweck, die Bürger und Politiker zu beschwichtigen und die wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen. Hier muss die Politik mit klaren Regelungen und Gesetzen dagegen halten. Doch dazu fehlen uns leider häufig die Sachkenntnis und die finanziellen Mittel, um unabhängige Experten zu bezahlen. Auch weil Unternehmen wie die Fraport AG bei der Steuergestaltung genauso professionell agieren wie bei der Durchsetzung ihres Expansionsdrangs. Mein Zufallsfund bei der Recherche nach dem Jahresergebnis der Fraport AG sei erwähnt: von den 278,7 Mio Euro Ergebnis fielen für den Staat gerade mal 7,2 Mio Euro an Ertragssteuern ab.
Werte Kolleginnen und Kollegen, das Kind ist in den Brunnen gefallen. Unser gemeinsamer Antrag ist das letzte Mittel, um es jetzt wieder nach oben zu holen. Es ist aber sicher, dass das Kind mehr als einen Schnupfen davontragen wird - dauerhaft! Für die Zukunft sollten wir daher berücksichtigen, dass wir die Nebenwirkungen schon vor dem Brunnenbau bedenken.
(Es gilt das gesprochene Wort)

Abstimmung:
einstimmig zugestimmt

Beschlussvorschlag:
Die Gemeinde tritt der Solidargemeinschaft zur Unterstützung der Klage gegen Fluglärm bei.
Sie unterstützt folgende Forderungen:
1.  Sofortige Anhebung der Mindestflughöhe. Die Wiederanhebung und Festlegung der Mindestflughöhe durch das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung auf die ursprüngliche Höhe.
2.  Nachtflugverbot. Die Anordnung eines generellen Nachtflugverbotes von 22.oo Uhr bis 6.00 Uhr (mindestens jedoch in der Zeit von 23.00 Uhr bis 5.00 Uhr) wie im Mediationsergebnis festgeschrieben.
3.  Änderung des Anflugverfahrens. Die generelle Anordnung lärmmindernder Anflugverfahren wie des kontinuierlichen Gleitfluges für alle Anflüge. Hierfür sind die personellen und technischen Voraussetzungen zu schaffen.
4.  Lärmobergrenze. Festlegung einer verbindlichen Obergrenze, auch für die Zeit nach Inbetriebnahme der neuen Landebahn am 20.Oktober 2011 (unter Einhaltung der gesetzlichen Grenzwerte).
5.  Festlegung der neuen Flugrouten. Die neuen Flugrouten sind einer kritischen Prüfung zu unterziehen, da sie für den Main-Kinzig-Kreis erhebliche Mehrbelastung an Fluglärm bedeuten. Die Flugrouten sind so festzulegen, dass sie wieder vermehrt über un- bzw. schwach besiedelte  Gebiete laufen.
6.  Änderung des Abflugverfahrens (Betriebsrichtung 07 Ostbetrieb). Bei Ostwetterlage (Abflug nach Osten) steigen die Flugzeuge direkt über Schöneck (Büdesheim). Der ohnehin laute Steilflug verursacht beim Abflug aufgrund verringerter Flughöhen seit März 2011 erheblich zusätzlichen Lärm. Die Flughöhen sollen angehoben werden. Hinzu kommt, dass sich die gleichzeitigen Anflüge (Gegenflug), die dann zur westlichen Landung geleitet werden, mit den Abflügen nach Osten direkt über Schöneck kreuzen. Neben der starken Lärmbelastung birgt der Kreuzungsverkehr ein – bereits von den Fluglotsen der DFS kritisiertes – Gefahrenpotenzial. Dieser Kreuzungsverkehr ist in unbewohntes Gebiet zu verschieben.