31.01.2013: Rekommunalisierung E.ON Mitte - Redebeitrag von Wolfgang Seifried
„Energiewende gestalten“, „Wertschöpfung in der Region halten“, „Positiver Beitrag zum kommunalen Haushalt“, „überschaubare Risiken“. Dies sind Stichwörter aus der ausgehändigten Präsentation, die uns elektrisieren sollten. Um es vorweg zu nehmen: Wir Grüne sind Verfechter des Prinzips „Infrastruktur in die öffentliche Hand“ und daher der Meinung, dass wir als Gemeinde Schöneck in den Verhandlungsprozess mit einsteigen sollten. Ich möchte aber herausstellen, dass das Verfahren ergebnisoffen sein muss und wir nicht aus ideologischen Gründen in ein ggf. unkalkulierbares Abenteuer stürzen wollen. Hier einige Gedankenanstöße und Bedenken, die zeigen sollen, dass wir zumindest eine sehr gute Verhandlungsposition haben:
Zuvorderst ist natürlich zu hinterfragen, warum die E.ON AG ihre Anteile an der E.ON Mitte AG (EMI) komplett verkaufen möchte. Die mögliche Antwort: Deswegen, weil ihr der Verkauf wirtschaftlich sinnvoller erscheint als der Verbleib der EMI im E.ON-Konzern. Das heißt, dass die Ergebnisprognosen der EMI nicht (mehr) die Gewinnerwartung der E.ON erfüllen. Dies mag auch daran liegen, dass die Politik in den letzten Jahren in den Strommarkt eingegriffen hat. Zum einen durch die Schaffung der Bundesnetzagentur, welche zunehmend besser den Missbrauch des natürlichen Monopols beim Betrieb der Verteilnetze reguliert. Zum anderen durch das Erneuerbare Energien Gesetz EEG, das die Netzbetreiber zur Einspeisung von Strom aus Erneuerbaren Energien verpflichtet. Beides sind politisch gewollte Initiativen, die den Energieversorgungsunternehmen sicherlich nicht „schmecken“ und die Gewinnmöglichkeiten beschränken.
Weiter ist zu hinterfragen, wie weit tatsächlich die Energiewende von den Energieversorgern gestaltet wird und werden kann. Zumindest in der Vergangenheit war das nicht der Fall. Vielmehr mussten die Versorger durch das EEG dazu gezwungen werden. Es ist daher zumindest fraglich, ob die Energieversorger für den Energiemarkt der Zukunft, der geprägt sein wird von dezentralen erneuerbaren Energien, gut gerüstet sind. Zwar hat die E.ON AG für die ersten Monate 2012 ihren Gewinn auf 3,0 Milliarden gesteigert, die eigenen Prognosen aber sind düster, weshalb jetzt unter anderem die Trennung von den Regionaltöchtern betrieben wird. Und: strategische Unternehmensführung vorausgesetzt, kann angenommen werden, dass sich die E.ON AG eher von Unternehmensteilen trennen will, denen sie selbst keine gute Zukunftsperspektive beimisst.
Ebenso ist nicht erst seit dem Drama um den Berliner Flughafen zu hinterfragen, ob die Politik und ihre Vertreter in Aufsichtsräten die besseren Unternehmer sind. Letztlich könnte die Transaktion dazu führen, dass eine EMI in öffentlicher Hand sogar doppelt politisch gesteuert würde: zum einen durch die Kommunen als neue Eigentümer und zum anderen durch die Bundesnetzagentur, welche von der Politik mit ca. 2.500 Mitarbeitern ausgestattet wurde, um z.B. den Elektrizitäts-Markt nach politischen Vorgaben zu regulieren.
Wir als Kommunalpolitiker werden am Ende des Beratungsprozesses vor der Herausforderung stehen, einzuschätzen, ob die Transaktion für uns vorteilhaft ist. Die beauftragten Beratungsunternehmer und Gutachter werden uns dazu eine Vorlage liefern. Aber keiner wird uns die Entscheidung abnehmen können, ob wir selbst glauben, dass die EMI fit für den Energiemarkt der Zukunft ist oder ob erst hohe Investitionen erforderlich sind, sie fit zu machen. Wir reden dabei nicht über eine Prognose für die nächsten 2 oder 3 Jahre, sondern über 20 oder 30 Jahre. Und hier beißt sich die Katze in den Schwanz, denn die Rahmenbedingungen für den Energiemarkt der Zukunft gestalten unser aller Parteikollegen in Wiesbaden und Berlin. Aber das ist ein Thema für die bevorstehenden Wahlen.
Lassen Sie mich damit schließen, dass ich, da wir über den Kauf eines Energieunternehmens reden, eine Beratung im BUVEK-Ausschuss für Bauen, Umwelt, Verkehr, Energie und Klimaschutz wünsche und die Überweisung dorthin beantrage. Ich - und ich denke auch meine Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss – würde nicht verstehen, warum das Thema am thematisch zuständigen Ausschuss vorbei im Haupt- und Finanzausschuss beraten würde, wie dies in der Vorlage vorgeschlagen wird.
Wolfgang Seifried