Kein Genmais vor unserer Haustür
Höchstens 8 km Luftlinie von Schöneck entfernt, auf den Flächen der Staatsdomäne Baiersröderhof, soll Genmais angebaut werden. Die Geister die du weckst, du wirst sie nie mehr los. Vor Jahren war das Thema schon einmal in der Region brisant. Jetzt kann man es wieder in der Presse verfolgen.
Ausgerechnet vor unserer Haustür, auf den Flächen der Staatsdomäne Baiersröderhof, soll erstmalig in Hessen überhaupt BT- Mais ausgesät werden. Dabei ist gerade in der kleinflächigen Landwirtschaft Hessens eine Koexistenz von gentechnisch verändertem Mais und konventionellen Kulturen schwer vorstellbar. Die angrenzenden Anbaugebiete liegen so dicht beieinander, dass sich die konventionell oder ökologisch wirtschaftenden Landwirte im Großraum Hanau vor Gen-Saaten nicht schützen können.
Manchem scheint die Einführung der Gentechnik in der Landwirtschaft unabwendbar. Doch noch konzentriert sich der Anbau von Gen-Pflanzen auf wenige Länder und in Deutschland vor allem auf überschaubare Flächen in den neuen Bundesländern. Die Mehrheit der Landwirte in Deutschland lehnt den Anbau von Gen-Pflanzen ab.
Bisher galt Hessens Landwirtschaft für Lebensmittelunternehmen und Verbraucher als gentechnikfrei. Wenn im Frühjahr die ersten Flächen mit dem GVO-Mais (Gentechnisch veränderter Mais) Mon 810-6 der Firma Monsanto bebaut werden dürfen, gibt Hessen diesen Wettbewerbsvorteil leichtfertig auf.
Auf den ersten Blick erscheinen genmanipulierte Pflanzen wie maßgeschneidert für den Acker. Durch künstlich eingebaute Resistenzen überleben Gen-Pflanzen Giftduschen gegen unerwünschte Pflanzen auf dem Feld. Oder sie tragen ein Gift gegen Schädlinge selbst in sich. Doch was zunächst als Vorteil erscheint, stellt langfristig gesehen ein ernstes Problem für die Umwelt, Landwirte und Verbraucher dar.
Erhöhter Pestizideinsatz durch Resistenzbildung bei Pflanzen und Insekten sind die Folge. Erfahrungen mit dem Anbau in der EU und anderen Regionen zeigen außerdem, dass sich Gen- Pflanzen unkontrolliert ausbreiten. Doch damit nicht genug: Die für den Anbau zugelassenen Gen- Pflanzen weisen erhebliche Sicherheitsmängel auf.
Spinnengene in der Kartoffel und Ratten-Gene im Salat? Das sind keine Horror-Fantasien skeptischer Gentechnik- Gegner, sondern reelle Produkte aus dem Gen-Labor. Dabei kann niemand abschätzen, welche Folgen die Eingriffe ins Erbgut für Gesundheit und Umwelt haben.
Die Wissenschaftler können weder den genauen Ort, wo das Gen in die Pflanze eingebaut wird, noch die Wechselwirkungen mit anderen Genen und Proteinen gezielt steuern. Einmal in der Umwelt freigesetzt, sind Gen- Pflanzen nicht mehr rückholbar. Sie stellen eine Gefahr für das ökologische Gleichgewicht und die menschliche Gesundheit dar. Der großflächige Anbau von Gen-Pflanzen in Nordamerika und Argentinien macht dies drastisch deutlich: höherer Pestizidverbrauch, Entstehung von Superunkräutern, Schädigung von Nützlingen, Verdrängung traditioneller Pflanzenarten und damit die Gefährdung unserer Artenvielfalt.
Der GVO-Mais in Hammersbach ist Bt-Mais. Was ist das überhaupt?
"Bt" steht für "Bacillus thuringiensis": Dieses seit fast 100 Jahren bekannte Bodenbakterium ist in der Lage, ein spezielles Protein (Bt-Toxin) zu erzeugen, das die Darmwand einiger Fraßinsekten zerstören kann und sich daher als Pflanzenschutzmittel eignet. Bt-Präparate werden schon seit 1964 als biologisches Pflanzenschutzmittel verwendet und vor allem im Mais-, Kartoffel-, Obst- und Gemüseanbau eingesetzt.
Mit Methoden der Gen-Technik ist es gelungen, das spezielle Bt-Gen aus dem Bodenbakterium zu isolieren und in das Genom des Mais einzubauen. Der um das Bt-Gen erweiterte Mais wird kurz als Bt-Mais bezeichnet. Bt-Mais produziert mit Hilfe des eingebauten Bt-Gens von sich aus das Bt-Toxin und kann dadurch eine Reihe von Schädlingen eigenständig abwehren, ohne zusätzliche Pflanzenschutzmittel von außen: eine Art eingebauter Pflanzenschutz. Gleichzeitig hatten Mutationen, das heißt Veränderungen am Erbgut, schon immer einen wichtigen Einfluss auf die natürliche Evolution.
Wo liegt also die Gefahr?
Ursprünglich war die Artengrenze eine schwer zu überwindende Hürde. Bei der Vererbung erfolgte eine geordnete Genomverteilung: Die Abfolge der Gene auf den Chromosomen folgt einem bestimmten Bauplan. In der Regel werden  nur Gene, die auf den Chromosomen den gleichen Platz haben, bei der Fortpflanzung ausgetauscht und das Erbgut auf diese Weise neu kombiniert.
Mensch und Tier sind beständig mutationsauslösenden Reizen wie UV Licht, Chemikalien und Radioaktivität (natürlicher und künstlicher) ausgesetzt. Sie haben vielfältige Mechanismen entwickelt, um zu verhindern, dass ihre Gene außer Kontrolle geraten und lassen jeweils nur kleine Veränderungen im Genom zu.
Die Gentechnik missachtet  und durchbricht die Gen-Regulierung. Dadurch unterscheidet sie sich von allen bisherigen Formen der Züchtung. Sie versucht, Pflanzen neue Stoffwechselwege mit allen Tricks förmlich aufzuzwingen: Die Art- und Zellgrenzen werden unter anderem mit Hilfe von bestimmten Bakterien oder Schrotschuss mit Gen-Kanonen (Beschuss von Zellen mit Metallpartikeln, auf die Gene aufgebracht wurden) überwunden. Weder der Ort, wo das Gen eingebaut wird, noch die Anzahl der eingebauten Kopien, noch die Wechselwirkungen mit anderen Genen können gezielt gesteuert werden.
Um zu vermeiden, dass die neuen Gene in den Pflanzen sofort wieder still gelegt werden, werden sie mit Gen- Schaltern versehen, welche die biologische Aktivität der Gene bei der Wirtspflanze erzwingen. Zudem müssen einzelne Bestandteile der Gene ausgetauscht und verändert werden, damit die Pflanzen das fremde Erbgut ablesen können. Aber auch dann ist längst nicht klar, wo das Gen genau sitzt, welche anderen Gene direkt beeinflusst werden und wie der Stoffwechsel der Pflanzen insgesamt verändert wird.
Dies sind Eingriffe in die natürliche Selektion, deren Folgen unter Umständen erst nach mehreren Generationen sichtbar werden. Bekannt sind schon jetzt ausreichend Gründe, warum Gentechnik, wenn überhaupt, nur sehr bedacht und kontrolliert angewendet werden soll.
Schädlinge werden immun gegen Gift der Gen-Pflanzen
Am Beispiel Gen-Mais in Hammersbach: Die Pflanzen produzieren ihre eigenen Bt-Gifte und sollen dadurch Schädlinge vernichten. Diese werden also permanent dem Gift ausgesetzt. Auch bei Schädlingen treten vereinzelt Mutanten auf, die eine natürliche Resistenz gegenüber dem Bt- Toxin besitzen. Nur diese Schädlinge überleben und können sich vermehren. Das Überleben dieser Schädlinge wird gefördert, was mit der Zeit zur massiven Ausbreitung der resistenten Exemplare führen könnte. Damit würde das Bt-Gift seine Wirksamkeit verlieren.
Gleichgültig, ob Resistenzen oder neue Allergien oder etwas, an das wir bisher noch nicht denken: Die Annahme, dass Gene als isolierbare Baupläne angesehen werden können, die man mehr oder weniger beliebig zwischen den Lebewesen und über die Artengrenzen hinweg übertragen kann, ist veraltet und falsch. Damit fehlt die wissenschaftliche Grundlage für das Unterfangen, insbesondere Nutzpflanzen wie Mais, Reis, Weizen und Tomaten so umzubauen, dass sie erst genetisch optimiert, dann verkauft, freigesetzt und schließlich als Nahrungsmittel verzehrt werden können.
Überraschend auftretende Allergien
Als z. B. ein Gen der Paranuss auf Sojabohnen übertragen wurde, zeigten auf Paranüsse allergische Personen beim Verzehr der transgenen Sojabohnen die gleichen Reaktionen. Über biologische Artgrenzen hinweg übertragen, muss grundsätzlich damit gerechnet werden, dass artfremde Genprodukte, also Eiweiße, in Organismen auftreten, wo man sie ohne entsprechende Information nicht vermuten würde. Und wer würde gar erwarten, wenn er seinen Maissalat genießt, gerade genüßlich auf Bakterieneiweiß herumzukauen?
Weiterhin wird Mais in Deutschland überwiegend zu Silage verarbeitet und an Kühe verfüttert. Auch wenn es sich um Gen- Mais gehandelt hat, trägt die so erzeugte Milch keinen Hinweis, dass bei ihrer Herstellung Gentechnik im Spiel war, d. h. der Verbraucher erhält keinen Hinweis auf gentechnisch verändertes Tierfutter.
Deutschlandweit wurden an 22 Standorten, darunter auch in Groß Gerau, die Anbauflächen von GVO- Mais zurückgezogen. Hammersbach muss nach Ansicht der Grünen der 23. Standort werden. Wir müssen politisch Einfluss nehmen und können nicht tatenlos zusehen, wie gegen den Willen der Mehrheit der Verbraucher und Landwirte in unserer unmittelbaren Nachbarschaft ein Exempel für Hessen statuiert wird.
Bärbel Neuer-Markmann